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Restaurant bewertenEs war der erste Tag nach dem Crash. Natürlich stand alles im Zeichen der Raffinesse und der Regeneration von der Nacht zuvor. Entsprechend spät am Nachmittag fuhren meine Frau und ich in Richtung Lehester Deich, um uns entlang der Weser ein wenig die Beine zu vertreten. Ein bisschen frische Luft konnte nicht schaden. Das kulinarische Ziel des Abends stand bereits fest. Wie im letzten Jahr sollte es in den Familienkreis zur griechischen Göttin von Vahr-Nord gehen, dem beleuchteten Tempel Herme, den ich bereits kritisiert hatte. Wie hungrig der Körper auf die Kombination aus frischer Luft und Bewegung reagiert! Dieses nicht ganz ernst zu nehmende Phänomen führte zu einem spontanen Besuch im Landhaus Kuhsiel direkt am Teich. Draußen war meine Frau von dieser Idee deutlich weniger begeistert, da sie genug hungrig bleiben wollte, um den Appetizer beim Schlemmen zu genießen. Auch in Anbetracht der Gefahr, dass ich wahrscheinlich der Einzige am Tisch mit Appetit sein würde, betraten wir den traditionell an drei Jahren vor Kurzem renovierten Ort, der von außen schon einen sehr gepflegten Eindruck machte. Der bekannte Ausgangspunkt für Autofahrten wird seit Anfang 2017 von Gastronomin Galyna Bielefeld geführt. Zuvor hatte sie in verschiedenen kulinarischen Hochburgen gearbeitet, beispielsweise im Restaurant „Zum Platzhirsch“ in Bremen-Lehe, bevor sie sich entschloss, aus der „alten Muffbude“ ein äußerst attraktives Landhaus zu machen. Hinter dem Schmuck, den dunklen Holzstrukturen und hellen Klinkerfliesen waren wir daher nicht schlecht bereitet. In der zeitgenössischen Bistro-Einrichtung dominierte helles Holz, das sich nicht nur in Form der schlichten Tischplatten, sondern auch in Form der sichtbaren Deckenbalken und raumtrennenden Säulen fand. Neben einfachen Sitzgelegenheiten aus dunkel lackiertem Holz gab es auch einige gemütliche Polstersessel, doch diese waren eher die Ausnahme. Innen sorgten Vintage-Lampen sowie indirekte Beleuchtung und Wandfluter für angenehme Lichtverhältnisse. Der Kamin war sozusagen das üppige Epizentrum des Landhauses, um das einige gepolsterte Sessel gruppiert waren. Es gibt sicherlich schlechtere Plätze, um sich nach einem Winterspaziergang aufzuwärmen. In der Ansicht von innen war die weitläufige Kuppel ein wenig alpenflairhaft zum frischgepflügten Teich. Auch der Name des Gasthofs war gut in die Einrichtung integriert. Das überdimensionale Portrait einer Kuh, das die gegenüberliegende Wand zierte, hatte ebenfalls eine Erklärung. Links befand sich der hell erleuchtete Bereich, der von vielen frei hängenden Glühbirnen „erobert“ wurde. Rechts von uns stand ein riesiger schräger Tisch mit den empfohlenen Gerichten sowie einigen Infos zum Mittagsmenü und dem Frühstücksangebot. Die Speisekarten boten eine breite Palette regionaler Spezialitäten wie Bremer Knipp, saure Bratwurst und bodenständiges Puten-Cordon-Bleu, Boeuf Stroganoff, gebratene Kalbsleber. Mit dem würzigen Teller kultivierte man hier norddeutsche Brautradition, während als vegetarische Alternative hausgemachte Quark-Kartoffel-Taschen angeboten wurden. Einige Pasta-Gerichte, verschiedene Salate und Flammkuchen, hier in vier verschiedenen Varianten, rundeten das reichhaltige Speisenangebot des Landhauses ab. Persönlich hätte ich mir weniger Auswahl gewünscht, da so eine große Richtung unweigerlich auf Kosten des frischen Produkts geht. Aber gut, es sollte nur eine Kleinigkeit sein, um mir die Zeit am Abend zu verkürzen. Ich musste nun eine Entscheidung treffen und das fiel mir bei der opulenten Auswahl nicht leicht. Der „Krüppelteppich“ kostete knapp 6,50 Euro. Die mediterranen Weinbergschnecken mit Baguette lagen bei 8,20 Euro. Flammkuchen kam nicht in Frage. Das wäre wie ein Verrat an meinem alten Ego „Elsassinator“ gewesen. Nein, es sollte etwas Handfestes aus der Region sein. Und da hier vor den Zeiten der Torfcreme am Nachbarteich geschlürft wurde, fiel meine Wahl auf die „Torf-Schnitte“ für 10,80 Euro – ein hausgemachter schlanker Braten im Bacon-Mantel mit dunkler Soße, geschwollenen Mischgemüse und Kartoffelstampf – genau das richtige „kleine“ Gericht, um gut gesättigt zu sein. Heute kann man in diesem idyllischen ländlichen Teil der Hansestadt immer noch den alten Klassiker von Torfrock hören: „Unser Koch ist kein Torfstechermeister, der die Hülle zählt, Borgi ist sein Name...“, so nostalgisch. Der freundliche Kellner brachte uns eine Flasche Vilsa Mineralwasser 0,75l für 5,90 Euro. Auf den Alkohol vom Vorabend konnte ich bitter verzichten und voller Genuss. Meine Frau wärmte sich mit einem Latte Macchiato für 3,70 Euro auf und war genauso gespannt wie ich, was der Adularz aus der Pfalz so hergab. Der üppig dekorierte Teller für hungrige Torfstecher kam mit zwei einfachen Scheiben Hackbraten auf den Tisch. Auch die Torf-Schnitte in Kombination mit der geschnittenen grünen Kohlsorte wurde nicht vernachlässigt. Auch das anständig gefüllte Kartoffelpüree, das seine Form nach Verwendung eines Spritzbeutels auf dem Teller fand, war gut. Es war gut, dass meine Frau in dieser Hinsicht ein wenig unterstützte. Das war einfach perfekt ohne Fehler. Die beiden Fleischscheiben waren nicht mit einer Pizzagewürzmischung versehen. Die nicht gerade homöopathische Verwendung von Salz, übrigens, kam mir bei der problemfreien Entleerung der Mineralwasserflasche zugute. Trotzdem war es insgesamt ein positives Sättigungserlebnis im schön renovierten Landhaus am Teich. In Borgis Jugendrevier enden die Tage nicht und wer die zahlreichen Gerichte des Bierbrauers kennt, der weiß, dass seine gut entwickelten Kreationen nicht vom Himmel fallen. Denn am Wolfsteich hungert man nicht.