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Städtereisen Tokio

War das jetzt das beste Sushi der Welt?

Sushimeister Jiro Ono ist 94 Jahre alt und in Japan nationales Kulturgut. Wer bei ihm in Tokio isst, muss am Tisch schweigen und zahlt für ein paar Happen eine dreistellige Summe. Unser Autor hat getestet, ob es das wert ist.
Tokio (Japan): Jiro Ono vor seinem Restaurant. Dort fertigt er trotz seiner 94 Jahre noch täglich Sushi Tokio (Japan): Jiro Ono vor seinem Restaurant. Dort fertigt er trotz seiner 94 Jahre noch täglich Sushi
Jiro Ono vor seinem Restaurant, wo er trotz seiner 94 Jahre noch täglich Sushi fertigt
Quelle: PA/EPA/EVERETT KENNEDY BROWN; PA/The Yomiuri Shimbun via AP Images

Stoische Gelassenheit und übermenschliche Zähigkeit gehören zu den grundlegenden Tugenden japanischer Samurai. Und zu den zwingenden charakterlichen Voraussetzungen für Menschen, die beabsichtigen, im Sushi-Restaurant „Sukiyabashi Jiro Honten“ in Tokios glitzernder Shoppingmeile Ginza einen Platz zu reservieren.

Es ist nämlich eine leider völlig unzutreffende Unterstellung, Japaner könnten aufgrund ihrer ausgeprägten Höflichkeit nicht Nein sagen. Wer bei Jiro Ono essen möchte, hört kein Wort häufiger.

Grund hierfür sind der Weltruhm des Meisters – ausgelöst durch eine prämierte Dokumentation über sein Leben aus dem Jahr 2011 („Jiro Dreams of Sushi“) – und die Tatsache, dass sein winziges Restaurant nur zehn Gäste pro Service bewirten kann. Zudem steht Jiro Ono im Ruf, nichtjapanischen Anfragen eher skeptisch gegenüberzustehen.

Andererseits gilt: Der Weg ist das Ziel, Hartnäckigkeit hilft; Barack Obama hat es schließlich auch geschafft, hier zu reservieren, so schwer kann es also nicht sein.

Im Sushi-Restaurant in Tokio gelten strenge Regeln

Und tatsächlich: Dank Mayako Sumiyoshi, der brillanten Chef-Concierge im „Palace Hotel Tokyo“, stehe ich an einem Dienstagmittag kurz vor zwölf an einer Straßenkreuzung zwischen Hochhäusern vor einem U-Bahn-Zugang und rufe mir leicht angespannt noch einmal die Verhaltensregeln in Erinnerung, die die Homepage des Restaurants (neben dem Hinweis auf die Unmöglichkeit einer Reservierung) auf Englisch bereithält: pünktlich sein, keine Fotos, keine Shorts, kein starkes Parfüm!

Ein kurzer kritischer Geruchstest – schon geht es hinab Richtung U-Bahn. Dort, in der Ecke einer schmucklosen Passage, erwartet mich bereits ein mittelfreundliches Abfangkommando: „Do you have reservation? Which name?“ Dann öffnet sich die blickdichte Schiebetür.

Der schmale Raum wird dominiert von einem schlichten Holz-Tresen unter traditionellen Vorhängen. Dahinter, leicht erhöht und weiß gekleidet: der Meister. Außerdem sein Sohn, einige Helfer. Niemand spricht. Niemand nimmt meine Ankunft zur Kenntnis, kein Kopfnicken, kein Blick.

Japan erklärte Jiro Ono zum nationalen Kulturgut

Acht Gäste sitzen bereits auf den gepolsterten Hockern, im Hintergrund plätschert Wasser. Ansonsten: Stille. 94 Jahre alt ist Jiro-san inzwischen, seit 1951 arbeitet er als Sushi-Meister.

Mit sieben Jahren begann er seine Ausbildung, er ist der älteste Dreisternekoch der Welt. Besser gesagt: Er war es, bis der Michelin in seiner aktuellen Ausgabe entschied, sein Restaurant nicht weiter zu empfehlen – aufgrund der faktischen Unmöglichkeit, dort einen Platz zu ergattern.

Jiro Ono arbeitet seit seinem siebten Lebensjahr in der Küche
Jiro Ono arbeitet seit seinem siebten Lebensjahr in der Küche
Quelle: Chris Steele-Perkins/MAGNUM /Agentur Focus
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Jiro Ono wird es mit Gelassenheit ertragen. Er erweckt nicht den Eindruck, als interessiere ihn sein inzwischen globaler Ruhm. Stattdessen strebt er Tag für Tag danach, dem näherzukommen, was er unter perfektem Sushi versteht. Er tut es schweigend. Und schnell. Ungeachtet der Tatsache, dass Japans Regierung ihn offiziell zum nationalen Kulturgut erklärte.

Die ganze geschmackliche Kraft des Meeres

Keine zwei Minuten sitze ich auf meinem Hocker, da steht bereits Tee vor mir, ist die Abfolge des vorgegebenen Menüs erläutert, platziert Jiro-san das erste Nigiri auf der schwarzen Lackplatte vor meinem Platz: Hirame, Flunder.

Von feiner, fester Textur ist der leicht kühle Fisch, auf dem perfekt gegarten, luftig-wolkigen Reis entfaltet sich im Mund ein unvergleichlich feiner, quellwasserreiner Geschmack. Eingefasst von einem Hauch Sojasoße, Essig, Wasabi. Hinreißend!

Roher Fisch in Perfektion: Sushi im Restaurant „Sukiyabashi Jiro Honten“ in Tokio (Japan)
Roher Fisch in Perfektion: Sushi-Kreationen im Restaurant „Sukiyabashi Jiro Honten“
Quelle: picture alliance/AP Images

Kaum habe ich die Augen wieder geöffnet, liegt bereits die nächste Miniatur vor mir – Sumi Ika, Babytintenfisch, von fast cremiger Textur. Unvergleichlich! Es folgen Sardine und Oktopus, magerer, mittelfetter und fetter Thunfisch, eine saisonale Herings-Art, Stachelmakrele, Archenmuschel, Garnele, japanische Venusmuschel, Seeigel, winzige Jakobsmuscheln, marinierter Lachsrogen, lackierter Aal.

Die ganze geschmackliche Kraft des Meeres – von mineralisch-kühlen bis zu süßlich-rauchigen Aromen. Wie ein Uhrwerk formt Jiro Ono mit flüssigen, stets gleichen Bewegungen Reis, belegt ihn mit Fisch, den sein Sohn, inzwischen über 60 Jahre alt, geschnitten hat.

Ein feiner Hauch Wasabi, ein zarter Pinselstrich Sojasoße, sonst nichts. Zum Schluss ein Stück fluffig-süßes Omelett, eine Scheibe unfassbar aromatischer Melone und ein kleiner Becher grüner Tee. Dann werde ich höflich, aber bestimmt zur Kasse gebeten.

Ein Leben lang an der Perfektion von Sushi gearbeitet

Nach kaum einer halben Stunde stehe ich wieder im grellen Licht der U-Bahn-Passage, leicht benommen. War es das wert? Der Aufwand der Reservierung über das Hotel? Der Preis – rund 15 Euro pro Minute? War das jetzt das beste Sushi der Welt? Lächerliche Fragen! Sie verschwinden schlagartig, als Jiro Ono zum Abschied für ein Foto vor die Tür tritt.

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Auch wenn der Hype um ihn absurde Züge angenommen hat, auch wenn man in Tokios Sushi-Restaurants der Spitzenklasse eine vergleichbare Qualität erleben kann: Man ahnt die unvergleichliche Hingabe, mit der dieser alte Mann an der Perfektion arbeitet – und wie nah er ihr in den neun Jahrzehnten seines Lebens, das sich immer nur um Sushi drehte, gekommen sein muss.

Seine Aura erschließt sich auf Anhieb. Und man versteht, dass vieles, was man hier nicht versteht, einen tiefen Sinn hat. Jiro Ono verabschiedet sich mit der Andeutung einer Verbeugung. Als ich mich kurz vor dem Treppenaufgang in die banale Wirklichkeit noch einmal umdrehe, steht er noch immer vor der Reispapiertür. Ein uraltes, lebendiges Weltkulturerbe. Mit winzigem Lächeln.

Sukiyabashi Jiro, sushi-jiro.jp, Omakase-Menü mittags und abends 40.000 Yen (325 Euro) plus Steuer

Tokio (Japan): Jiro Ono und seine Helfer arbeiten schweigend an der Perfektion von Sushi
Jiro Ono und seine Helfer arbeiten schweigend
Quelle: pa/Everett Colle/©Magnolia Pictures/Courtesy Ever

Der Weg zum Sushi-Meister:

  • Die Ausbildung zum Sushimeister dauert traditionell zehn Jahre. Man lernt nur durch Beobachtung, nicht durch Anleitung. Zwei Jahre werden dem Kochen und Würzen von Reis gewidmet. Wichtig: Beschädigte Reiskörner werden aussortiert, damit der Sushireis perfekt wird.
  • Die restliche Zeit dient dem Zubereiten und Schneiden von Fisch. Ein Sushimeister arbeitet mit zehn Messern, die Klingen werden – wie ein Samuraischwert – täglich geschliffen.

Weitere interessante Sushi-Adressen in Tokio:

  • „Kaiten-sushi Nemuro Hanamaru“: Klassisches Fließband-Sushi mit Filialen auf Hokkaido und in Tokio. Berühmt für seine Fische und Meeresfrüchte aus Nemuro, einer Hafenstadt auf der Insel im Norden. In unendlicher Reihe ziehen traumhafte Miniaturen am Gast vorbei. Perfekt für Einsteiger! Budget: umgerechnet 15 bis 25 Euro (Tokyu Plaza Ginza, 5-2-1 Ginza, 10. Stock)
  • „Sakaezushi“: Sushi entstand als einfaches Imbissgericht. Wie am Wurststand gab es für die Gäste nicht einmal Hocker. Diese Tradition des „Standing style sushi“ pflegt dieser Laden seit mehr als 50 Jahren, inzwischen in der dritten Generation derselben Familie. Budget: acht bis 15 Euro (1-18-5 Tateishi Katsushika-ku Tokyo, unmittelbar neben der Keiseitateishi Station, i-jimusho.net/sakae/index.html).
  • „Sushi Saito“: Aus Sicht vieler japanischer Kenner das beste Sushi in Tokio. Sicher ist: gleiche Qualität, weniger Weihrauch als bei Jiro Ono. Unbedingt lange im Voraus reservieren, am besten über den Hotel-Concierge! Budget: 15 bis 25 Euro (Ark Hills South Tower, First Floor, 1-4-5 Roppongi).
  • Anreise nach Tokio: Von Deutschland aus fliegen JAL Japan Airlines, ANA All Nippon Airways und Lufthansa nonstop nach Tokio.
  • Auskunft: Japanische Fremdenverkehrszentrale JNTO, jnto.de
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Feine Speisen werden oft in sehr kleinen Portionen serviert. Doch ein Koch aus Tokio geht einen Schritt weiter und entwirft ein Sushi-Gericht, das auf ein einziges Reiskorn passt.

Quelle: Reuters

Dieser Text ist aus der WELT AM SONNTAG. Wir liefern sie Ihnen gerne regelmäßig nach Hause.

WELT AM SONNTAG vom 19. Januar 2020
Quelle: Welt am Sonntag

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